2017
18.02

Kammerhofer Premiere - Geh schleich di





Walter 2.0

Während die Wirtschaft bereits von Industrie 4.0 spricht, kann man von Walter Kammerhofer mit Fug und Recht behaupten, dass dieser völlig reloaded seine nächste Stufe erreicht hat. Waren seine vorangegangenen Programme noch überwiegend von Schenkelklopfern gekennzeichnet, so geht er mit „Geh schleich di!“ mehr in Richtung Satire. Iris Fink beschreibt in ihrem Buch „Von Travnicek bis Hinterholz 8“m welches 2000 im Styria Verlag erschienen ist, die Satire wie folgt: „Satire ist eine Form, mit Mitteln des Komischen als negativ empfundene gesellschaftlich und politische Zustände und Konventionen sowie individuelle Handlungen und Vorstellungen aggressiv-ironisch zu übertreiben. Die Satire versucht aus einem moralischen Anspruch heraus, Gesellschaftsschädliches zu beseitigen, indem sie es der Lächerlichkeit preisgibt.“

Walter Kammerhofer brilliert dabei als Ferdinand Gratzl, Inhaber in dritter Generation der Greißlerei Gratzl am Platzl in Großglain an der Gmein. In seinem intimen Kammerspiel beleuchtet er die Sorgen am Land ebenso wie brandaktuellen Themen, wie Ausländervorurteile und Integration, Perspektivenlosigkeit der Jugend inklusive Selfie-Wahn, Hausfrau kontra Karriere oder die Sorgen des Älterwerdens auf eine charmant, witzige Art ohne dabei zu sehr den Zeigefinger auf die Wunden unserer Gesellschaft zu legen. Selbst wenn er sich persönlich schauspielerisch weiterentwickelt hat und das ganze Stück dramaturgisch ein Guss ist, so bleibt er doch seinem Lokalkolorit treu. Als gebürtiger St. Peter’erer in der Au, weiß er, wo aktuell der Schuh drückt. Denn z.B., dass dort zuerst das Betreute Wohnen ist, dann die Leichenhalle und letztendlich noch der Friedhof - noch dazu als Einbahn - ist keine künstlerische Freiheit, sondern ebenso Tatsache wie die durchaus etablierte Kebab-Bude oder der kleine Adeg, welcher dem großen Hofer Paroli geboten hat. Doch nochmals zurück zum Anfang: Sein Opa und Vater machten mit der Greißlerei mitten im Ort als Platzhirsch jahrzehntelang sehr gute Geschäfte. Doch nachdem am Ortsrand ein riesiges EKZ (= Einer Kann Zusperren) aufsperrt, kann Gratzl zusperren. Doch bevor es so weit kommt, säumen zahlreiche illustre Gestalten seinen Weg, welche Kammerhofer selbst ohne großartige Requisiten nur doch seine beachtliche Figur und seine gewaltige Stimme spielt. Neben Bäcker Adi, der Witwe Cäcilia Obergruber, dem Kalten Willi aus Wien, dem Kebab-Mann Ali Özgür, Bürgermeister Wipplinger ist da auch noch der polnische Pfarrer Kovalsky. Dabei überrascht er nicht nur mit Stimme und Mimik, sondern vor allem mit den handelnden Personen, die nicht zwangsläufig, gängigen Klischees entsprechen müssen. Natürlich fallen viele in der erzkonservativen Gemeinde aus allen Wolken, versucht doch Gratzl für seine Immobilie den größten Profit zu machen, bevor er nach Spanien auswandern will. Doch ob letztendlich ein Bordellbetreiber, ein Kebab-Imperium oder doch Muslime für ihre Moschee das Rennen machen, sei hier nicht verraten.

Alles in allem also ein wunderschöner, unterhaltsamer Abend, der mit einem Mix aus lustigen Pointen und verstecktem Tiefgang vielleicht nicht alle Erwartungen bisheriger Kammerhofer-Fans erfüllt, doch bestimmt zahlreiche neue dazugewinnt. Gratulation also nicht nur Walter himself, sondern dem ganzen Team: dem Autoren-Team Andreas Sattler und Toni Batak, Regisseur Leo Maria Bauer, Allrounder und Wunderwuzzi Max Mayerhofer sowie Managerin Anita „Angie“ Steinbichler.

Weitere Infos unter www.kammerhofer.org bzw. hier im Facebook.

Nach kostenloser Registrierung bzw. über Facebook-Login kann man die Fotos für private Zwecke hochauflösend downloaden! Wir freuen uns auch über Euer "gefällt mir" unserer Fanseite = www.facebook.com/mostropolis.at.